Im Gleichschritt sind die Schachfreunde Berlin und das Team Niedersachsen auch durch die vierte von fünf Runden des „Millennium Hybrid Masters“ marschiert. Naja, fast zumindest. Während die Berliner beim 3,5:0,5 im Lokalduell gegen desn TSV Mariendorf einen halben Brettpunkt liegen ließen, überrollten die Niedersachsen den SC ML Kastellaun mit 4:0. Und das, obwohl die ohnehin schon gewiss nicht schwache Mannschaft aus dem Hunsrück sich noch ukrainisch verstärkt hatte.
Ivan Sidletskyi (13), Kriegsflüchtling aus Kyiv und hochbegabter Schachspieler, hat beim SC ML Kastellaun eine temporäre schachliche Heimat gefunden. Sogleich setzten ihn die Kastellauner beim Hybrid-Wettkampf gegen den Titelfavoriten ein. Allerdings bekam es Sidletskyi mit Christian Polster zu tun, FIDE-Meister und einer der besten Spieler Niedersachsens. Der Kampf war scharf und verwickelt, letztlich behielt der „Routinier“ die Überhand.
Nun führen Berlin und Niedersachsen weiterhin punktgleich die Tabelle an, allerdings liegt Berlin nach Brettpunkten einen Zähler hinten.
In der Schlussrunde, unter der bewährten Leitung von Technik-Fachmann Bernd Hähnle und Schiedsrichter Bernhard Riess, treffen die Niedersachsen nun auf die wackeren, aber noch punktlosen Schachfreunde aus Pattonville, die im Saisonverlauf zwei Mal um einen halben Zähler am Unentschieden vorbeigeschrammt sind. Die Berliner bekommen es derweil mit dem anderen Bundesligisten im Feld zu tun, dem SV Werder Bremen und dessen Spielgemeinschaft mit Bremerhaven.
Aber wer nun glaubt, dass die Weichen schon für einen weiteren niedersächsischen Kantersieg gestellt sind, während Berlin wird hart kämpfen müssen, der liegt falsch. Zum Saisonfinale bleibt in Niedersachsen der Leistungskader außen vor (außer beim Twitch-Live-Kommentar, den es wahrscheinlich geben wird), stattdessen spielen die Funktionäre.
Statt Kasimdzhanov, Polster&Co. werden der Präsident Michael S. Langer und seine Mitstreiter aus der Chefetage des Niedersächsischen Schachverbands die Bretter besetzen, um die Meisterschaft in der ersten Hybrid-Liga der Welt zu erringen. Er wolle zum ersten Mal im Leben beim Schach etwas gewinnen, erklärt Langer augenzwinkernd. Und gesteht: „Jetzt bin ich nervös.“
Der Niedersächsische Öffentlichkeitsreferent Benjamin Lönhardt ist derweil gespannt, „wie sich dieses Hybridschach, von dem alle reden, anfühlt“. Zuschauer sollten laut Lönhardt starke Nerven mitbringen, da abzusehen sei, dass die Stellungsbewertungen stärker schwanken als bei den Cracks aus dem Leistungskader.
Im dritten Match am Mittwoch ab 18.30 Uhr treffen der SC ML Kastellaun und der TSV Mariendorf 1897 Berlin aufeinander. Beide können nicht mehr Meister werden – und Letzter auch nicht. Aber die Bronzemedaille ist noch drin. Sollte die Bremer Auswahl verlieren, würde der Sieger aus Kastellaun vs. Mariendorf auf den dritten Platz springen.