Ein Doppelsieg für Berlin und ein erster Tabellenführer. Die Niedersachsen-Auswahl hat sich am ersten Spieltag des „Millennium Hybrid-Masters“ mit einem 4:0 über Werder Bremen in die Position des Ligafavoriten gebracht.

Ein Spaziergang war es gleichwohl nicht, wie sich aus der Partie am ersten Brett ablesen lässt. Obwohl fast 400 Elo niedriger bewertet, obwohl ihm die Eröffnung missraten war, lieferte Bremens Nils-Lennart Heldt (Elo 2075) dem Bremer Spitzenmann IM Dennes Abel (Elo 2442) einen beherzten Kampf. Problem um Problem stellte der Außenseiter dem Favoriten, bis Abel strauchelte. Doch just als der halbe Punkt greifbar war, griff Heldt daneben:

Wer gelegentlich an großen Schachturnieren teilnimmt, der weiß, dass die erste Runde in aller Regel nicht pünktlich beginnt. Beim Auftakt der weltweit ersten Schachliga auf E-Brettern war das nicht anders: Hier fehlte ein Passwort, dort ein Treiber, dort funkte ein Windows-Update dazwischen – es wurde 19 Uhr statt 18.30, bis die Partien auf allen Brettern liefen.

„Wir müssen unsere Kommunikation verbessern“, sagt Schiedsrichter Bernhard Riess dazu. Zum zweiten Spieltag (23. März) will Riess neben dem obligatorischen Videogespräch, in dem alle Spielorte zusammengeschaltet sind, spezifische WhatsApp-Gruppen einrichten, damit Fragen unmittelbar beantwortet werden und eventuelle Probleme unmittelbar gelöst. „Es wird sich einspielen.“

Twittergewitter: In Kastellaun ist alles aufgebaut und vorbereitet, im begleitenden Teams-Call ist die Laune trotz 30-minütiger Verzögerung bestens.

Als alles eingerichtet war, bestätigte sich, was zahlreiche Tests vorab ergeben hatten: Die Millennium-Turnierbretter im Zusammenspiel mit Tornelo funktionieren reibungslos. „Mal ‚geschwind‘ ein Match gegen Berlin wäre sonst niemals möglich gewesen“, sagt Salvatore Ketterer, Vorsitzender der SF Pattonville. Seine Spieler seien von der Qualität des Brettes und der Figuren beeindruckt gewesen.

Tim Pfrengle von den SF Kastellaun auf Twitter, nachdem die Partien begonnen hatten: „Und nun funktioniert auch wirklich alles perfekt, die Technik läuft reibungslos und mehr und mehr vertiefen wir uns in die Bretter. Es macht richtig Spaß und fühlt sich an wie ein richtiger Mannschaftskampf.“ Pfrengle hat auf Twitter direkt nach dem Mannschaftskampf seiner Kastellauner gegen die SF Berlin eine persönliche Rückschau auf das Match und einen Blick auf die Perspektive der neuen Liga veröffentlicht.

Team Niedersachsen (Mitte: Teamchef Michael S. Langer) nutzt für seine Hybrid-Matches die Hannoveraner Büros des Landessportbunds als Spiellokal. Zum Auftaktmatch schaute Marco Lutz (links), stellv. Vostandsvorsitzender des LSB, vorbei. Rechts am Brett grübelt Stefan Walter über der Eröffnung seiner gerade begonnenen Partie.

Für zahlreiche Teilnehmer war es nicht nur der erste Mannschaftskampf nach langer Pause, obendrein war es für fast jeden die erste Hybrid-Partie überhaupt. Der eine oder andere musste lernen: Zu langsames Ziehen, „Schlafwagenzüge“ (Riess), mag das Brett nicht. Und doch stellte sich nicht nur in Kastellaun bald das Mannschaftskampf-Gefühl ein – allerdings unter ungewohnten Umständen. Viel besser als am Bildschirm sei es am Turnierbrett allemal, fanden die Berliner laut Riess, auch wenn dem einen oder anderen der auf der anderen Seite des Brettes schwitzende Gegenspieler fehlte. „Gegen einen leeren Stuhl zu spielen, ist schon etwas komisch“, sagt Pierre Gerhard (SF Pattonville).

Viele Partien waren ausgekämpft, in Bremen wurde es gar so spät, dass der Hausmeister ins Schwitzen geriet, weil die Bremer die ihnen zugestandene Spielzeit vollständig ausnutzten. „Tut mir leid, dass ihr so lange warten müsst“, sprach in Berlin Frank van Hasselt (SF Berlin), als sich seine drei Mitspieler beim Stand von 1,5:1,5 während seines laufenden Endspiels gegen Tim Pfrengle um sein Brett versammelt hatten. „Aber ich muss meinen Freibauern noch durchdrücken.“

Auch das eine Situation, die sich bei einem herkömmlichen Mannschaftskampf nicht ergeben würde: der launige Austausch zwischen Spielenden und ihren Teamkameraden. Die waren im Fall von van Hasselts Endspiel gegen Pfrengle geblieben, um zu sehen, wie es ausgeht – Teamspirit!

Van Hasselt drückte seinen Freibauern durch und sicherte seiner Mannschaft das 2,5:1,5, dasselbe Ergebnis, mit dem der TSV Mariendorf über die SF Pattonville triumphiert hatte. Die (wenig aussagekräftige) Tabelle nach einem Spieltag offenbart nun eine Zweiklassengesellschaft: Niedersachsen, Mariendorf und Berlin mit zwei Punkten, Pattonville, Kastellaun und Bremen mit null.

Eine Auswahl von Bildern aus Pattonville: