Weiß zieht und gewinnt – und das sehr schön.

Es war ein historischer Anlass. Zum Hybrid-Match an vier Brettern zwischen dem Berliner Schachverband und der Chefetage des Europäischen Schachverbands (ECU), die in Thessaloniki tagte, saß jetzt erstmals ein Großmeister am elektronischen Turnierbrett von Millennium. Dem Anlass gemäß zauberte GM Adrian Mikhalchishin in obiger Stellung einen wunderbaren Ausknipser aufs Brett.

Sogleich wurde Mikhalchishins Keule 1500 Kilometer entfernt im “Haus des Familienunternehmens” am Berliner Platz auf dem Brett von Joachim Wintzer blinkend angezeigt. Wintzer, Mikhalchishins Gegner, hatte sich nach missratener Eröffnung nach Kräften bemüht hatte, den Laden rund um seinen schwarzfeldrig arg geschwächten König zusammenzuhalten. Doch nun war nichts mehr zusammenzuhalten.

Auf der vergeblichen Suche nach einer Verteidigung lief Wintzers Zeit ab.

Die Partie Adrian Mikhalchishin (Thessaloniki, rechts im Bild) vs. Joachim Wintzer (Berlin).

Mikhalchishin hat mit seiner Partie der Anfang März startenden ersten deutschen Hybrid-Liga eine mögliche Premiere weggeschnappt.

Am “Millennium Hybrid Masters” werden zwei Bundesligisten (Werder Bremen, SF Berlin) sowie eine Landesauswahl (Niedersachsen) teilnehmen. Gleich beim potenziell vorgezogenen Finale am ersten Spieltag, Bremen gegen Niedersachsen, könnten auf beiden Seiten Großmeister mitspielen, ein Exweltmeister sogar: Rustam Kasimdzhanov ist als Trainer ein elementarer Teil des niedersächsischen Kaders.

Sechs Mannschaften, fünf Spieltage, ausschließlich Heimspiele. Am 9. März beginnt die erste deutsche Hybrid-Liga.

Die erste Auflage der Hybrid-Liga hat noch Test-Charakter, ebenso wie das jetzt ausgespielte Match zwischen den Berliner Schachmeistern und ECU-Granden. Dieses Match sollte unter anderem dazu führen, dass Offizielle erleben, wie es sich anfühlt, am Brett einen Wettkampf gegen einen Gegner zu spielen, der nicht gegenüber, sondern 1500 Kilometer entfernt über derselben Stellung brütet.

Schwarzsieg in 32 Zügen: Jürgen Brustkern brachte seine Mannschaft in Führung. Als Spiellokal hatten die Berliner sich auf Vermittlung der Lasker-Gesellschaft am Pariser Platz im “Haus des Familienunternehmens” versammelt. | Foto: Bernhard Riess

Nachdem ein auf Seiten der ECU zickendes Laptop per Neustart dazu bewegt worden war, ordnungsgemäß seinen Dienst zu verrichten, sei das Match ohne besondere Vorkommnisse gelaufen. Das Match habe ein weiteres Mal den Beweis erbracht, dass Hybrid-Schach auch unter Wettbewerbsbedingungen problemlos gespielt werden kann, hat der auf Berliner Seite schiedsrichternde Bernhard Riess festgestellt. “Es wird sich in Zukunft sicherlich einen Platz im Turnierkalender erobern.”

Das Erobern des Turnierkalenders wird schneller vonstatten gehen, wenn auf E-Brettern via Tornelo gespielte Partien aus solchen Wettkämpfen ausgewertet werden können. Die Entscheidung, einen solchen Passus ins Regelwerk aufzunehmen, wird den Regelhütern leichter fallen, wenn sie schon erlebt haben, dass sich hybrides Schach im Kreis von Mannschaftskameraden wie Turnierschach anfühlt – abzüglich des Menschen auf der anderen Seite des Brettes.

Brett BSV ELO   ECU ELO
1 FM Dr. Joachim Wintzer 2274 0-1 GM Adrian Mikhalchishin 2455
2 Ralf Schnabel 2228 1-0 Sarkhan Gashimov 2348
3 FM Jürgen Brustkern 2226 1-0 Gunnar Bjornsson 2130
4 Ralf Gebert-Vangeel 2057 0-1 IM Eva Repkova 2303
GM Mikhalchishin freut sich über seinen Glanzsieg.| Foto: ECU

Für die Berliner fühlte es sich am Ende sogar nach Teilerfolg gegen ein nominell favorisiertes Team an. Jürgen Brustkern gewann mit Schwarz in 32 Zügen gegen den isländischen Schachpräsidenten Gunnar Björnsson und hatte so für die Berliner Führung gesorgt. Die anderen drei Partien des mit 25+5-Bedenkzeit gespielten Matches wurden erst in der Blitzphase entschieden. Mikhalchishin glich, siehe oben, für die ECU aus. An Brett vier sorgte Eva Repkova für den Führungswechsel, jedoch konnte Sarkan Gashimov den Mannschaftssieg nicht festhalten, als er in einer hochdramatischen Schlußphase gegen Ralf Schnabel die Zeit überschritt.

Bernhard Riess am Schiedsrichtertisch in Berlin. | Foto: Berliner Schachverband